11. FORTSCHRITT – Blick durch Tor in Richtung Prentl

Singt dem Herrn ein neues Lied.

Psalm 98,1 

Trotz des mächtigen Privathauses hat Carl von Herberstorff für die Bürger der Stadt ebenfalls investiert. Auf seinem eigenen Grund und Boden, vor der Stadt – dem Prentl, – 1582 ließ er eine Kirche; dazu ein Mesner Haus, einen Friedhof und ein Schulhaus erbauen.

Den Weg zur neuen Kirche am Prentl säumte eine Eichenallee, die Königin unter den Bäumen, die zum Herzenskönig Gott geleitete. Der Gottesdienst war in deutscher Sprache gehalten und gesungen wurde aus voller Brust. Die neuen Kirchenbänke waren bequem und so folgte man gut der Predigt des Prädikanten, der von der Kanzel erbauliche Gottesworte an die Radkersburger richtete. Eine besondere Freude war der Kirchenchor aus Gemeindemitgliedern, der die Alltagssorgen mit himmlischen Klängen für kurze Zeit vergessen ließ.

Das ganze Bauvorhaben wurde notwendig, da die Radkersburger seit 1541 sich als protestantische Stadt deklariert haben und die Kirche des Hl. Johannes zu eng geworden war. Außerdem sollte auch jeder, gemäß der Forderung Luthers – jeder soll die Bibel studieren – lesen und schreiben lernen. Aus der Lutherstadt Wittenberg hat er eigens einen Prädikanten herbestellt und seither können auch unsere Burschen in die Schule gehen. Ja, die Radkersburger waren gebildet und ließen sich nicht mehr über den Tisch ziehen. Doch man spürte die Schwierigkeiten, denn der gute Herberstorff hat den Prentl 1594 der Steirischen Landschaft vermacht und sie so unter ihren Schutz gestellt, um den sie täglich beteten.

Die Befürchtungen werden sich in wenigen Wochen im Mai 1600 bewahrheiten, bei der ersten Religionskommission[1], wurde der Prentl nur verwüstet. 1606, man hielt sich nicht an die Forderung keine modernen Gottesdienste abzuhalten und die Schule zu schließen, veränderte sich plötzlich die Stimmung. Man hörte ein Donnergrollen, obwohl keine einzige Wolke den klaren Himmel trübte. Alle rannten so schnell sie konnten in die vermeintlich sichere Stadt, die sich als Falle entpuppte. Mit diesem Zeitpunkt erlosch das pulsierende protestantische Leben in Radkersburg.

FAST 300 JAHRE GAB ES IN RADKERSBURG KEINE EVANGELISCHEN.


[1] Die landesfürstliche Visitationskommission kam mit 150 Musketieren, 170 bewaffneten bischöflichen Untertanen und 400 Slawenmilizen und Bischof Brenner. Alle Bücher wurden verbrannt und die Familien vor die Wahl gestellt: „Glaube oder Heimat“. 2/3 der Oberschicht wählten die Migration, was den ersten wirtschaftlichen Niedergang von Radkersburg bedeutete.