7. MITTELPUNKT – Hauptplatz

Suche der Stadt Bestes.

Jeremia 29,7

Nun stehen wir am Hauptplatz, dem Handelsplatz und kaufmännischen Mittelpunkt. Das bunte und laute Treiben vor 500 Jahren zeigte uns, dass die Händler gute Geschäfte machen.  Holz, Erz und Ausseer Salz aus der Obersteiermark wird auf mächtigen Flößen in nur wenigen Tagen zur Stadt transportiert. Schweine, Pferde und Rindvieh aus der nahegelegenen ungarischen Tiefebene, Wein aus den Radkersburger und Luttenberger Weinbergen und Getreide aus der Ebene in der Mur verschiffte man auf Zillen[1], die mit Pferden und Ochsen stromaufwärts auf den Trampelpfaden[2] gezogen wurden.

Es wird gefeilscht und per Handschlag das Geschäft besiegelt. Die Stadtväter freuen sich über die guten Gewinne, die die Stadtkassa seit der Verleihung des Niederlagsrecht 1383 gut füllen.

Der mächtige Bürgerturm[3] am Beginn des Platzes weist auf die Bedeutung der Stadt hin, ist aber auch ein wichtiger Aussichtspunkt für unsere Feuerwache, da allzu oft Brände[4] ausbrechen. Zu Jahresbeginn veranstalten die Stadtväter einen großen Festakt, bei dem Anwärter für den sehr begehrten Bürgerstand aufgenommen werden.

10er Haus war vor 500 Jahren Rathaus

Links vor dem damaligen Rathaus (heute 10er-Haus) sehen Sie die Delinquenten, die der Stadtrichter am Morgen verurteilt hat. Die beiden streitsüchtigen Frauen, die in einer doppelten Halsgeige miteinander verbunden sind, werden sich wohl bis zum Abend vertragen müssen, denn sonst wird es weitere Repressalien geben. Am Pranger steht ein Schmied, der mit schlechten Eisenbändern die Fässer beschlagen hat. Sie sind geborsten und so der gute Radkersburger Wein auf dem Steinboden gelandet. Das war ein Spektakel, das der Schmied aber jetzt büßen muss, da ihn jeder dafür foltern darf.

Sie sehen, damals gehörte Radkersburg zu den wichtigsten Handelsstädten der Steiermark und hatte auch eine eigene Gerichtsbarkeit und damit viel Einfluss. Die Entscheidungsträger der Stadt waren alle Protestanten. Sie setzten seit 1541 einen Pfarrer aus Wittenberg, Luthers Universitätsstadt, ein. Damit bekannte sich Radkersburg offiziell zu Luthers Lehre.

In der Mitte des Hauptplatzes hat sich eine Theatergruppe ihre Bühne aufgebaut und wird sicherlich am Nachmittag eine Vorstellung geben. Sie müssen sich die Zeit stehlen, da die Feldarbeit bereits begonnen hat. Zu den großen Feldern und Weingärten müssen die Radkersburger über die Mur z. B. zum Herzogberg (heute Hercegovščak), wo unser Landesfürst seine besten Weingärten hat. Eine gute Ernte ist in den letzten Jahrzehnten keine Selbstverständlichkeit. Wir hatten viele Unwetter, Hochwässer, ein frostiges Frühjahr und nicht zu vergessen. die ständigen Grenzstreitigkeiten mit den Ungarn und immer wieder kehrenden Einfälle der Osmanen und Kuruzzen.

Die Händler kamen vor 500 Jahren aus nah und fern. Seit den Welschen[5] bekommt man viele Waren auch von fernen Ländern, die per Schiff nach Triest gebracht wurden und nun hier erhältlich sind. Das Welschkorn[6] z. B. schmeckt als Sterz sehr gut und hält lange an. Die Adeligen in unserer Stadt essen ihn mit der neuen braunen Brühe, die sie Kaffee nennen. Die Kinder aber lieben ihn mit Honig und Milch.

Auch Druckbögen aus Wittenberg konnte man erwerben und gleich in der Stadt von hervorragendem Buchbindern in der Bindergasse zu ihrem eigenen Buch binden lassen. Die Stadtväter trachteten danach, dass sich jede Familie mindestens ein Lutherwerk leisten konnte, denn es gab ja eine eigene Schule am Prentl, wo die Buben lesen und schreiben lernten.

Stadttrum Bad Radkersburg

[1] Holzboote, zwischen 5-30 Meter lang, benötigten von Radkersburg nach Leoben über 2 Wochen.

[2] Teile des Trampelpfades sind heute der Murradweg.

[3] heute Stadtturm

[4] Bad Radkersburg erlebt in der Geschichte 5 große Brände.

[5] Umgangswort für Fremde, meist Italiener

[6] Fremde/neue Korn, gemeint ist der Mais, Polenta