Höre Israel, der Ewige ist unser Gott, der Ewige ist einzig.
– Dtn. 6,4
Im 15. Jahrhundert zählte Radkersburg, neben Graz, Marburg und Judenburg, zu den vier großen jüdischen Gemeinden. Erstmals wurden 1338 Juden in Radkersburg erwähnt und so lebten in den folgenden 160 Jahren bis zu 70 Personen in der damaligen Judengasse/Frauengasse, heute Frauenplatz. Neben den Wohnhäusern befand sich auch eine Synagoge.
Juden traten als Kleinhandwerker und „Geldwechsler“ auf, da die katholische Kirche ein Zinsverbot verfügte: „Vom Ausländer darfst du Zinsen nehmen, von deinem Glaubensbruder nicht!“ Diese Regelung des Zinsverbots wurde in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts gelockert und so wollte man die lästige jüdische Konkurrenz loswerden. Die Spannungen gingen vor allem vom Handelszentrum Graz aus, wo bewusst gestreute dubiose Ritualmorde und Hostienschändungen für Zwietracht sorgten. Die wirtschaftlichen Bedingungen wurden durch Heuschreckenschwärme, „Türkeneinfälle“, Missernten und Unwetterkatastrophen noch verstärkt. Immer mehr Bürger und vor allem der Adel stürzten sich in Schulden.
Die Steirischen Landstände sprachen bei Kaiser Friedrich III. vor, er solle die Juden ausweisen, doch dieser profitierte von ihren Steuereinnahmen. Erst sein Nachfolger Maximilian I. wurde überzeugt und die Juden 1496 vertrieben. Die Radkersburger Juden flohen in den Raum Murska Sobota/Olsnitz/Muraszombat, auf damals ungarisches Staatsgebiet.
Als 1781 mit dem Toleranzpatent Josefs II. nicht nur die Evangelischen wieder ihre Religion ausüben durften, gab es auch für Juden Lockerungen. Sie konnten im Rahmen von Jahrmärkten die Städte besuchen und Geschäfte machen. Diese Regelung war schwer kontrollierbar und so kam es immer wieder zu Unstimmigkeiten. Erst mit der Dezemberverfassung 1867 erhielten die Juden umfassende Bürgerrechte.
Es meldete sich z. B. Gustav Hoffmann bei der Bezirkshauptmannschaft mit einem Petroleumhandel an. In den nächsten zehn Jahren stieg die jüdische Gemeinde auf 51 Personen, sank jedoch auf Grund des allgemeinen Wegzugs zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Nach dem 1. Weltkrieg gab es nur mehr 3 jüdische Familien – Moritz Neumann, Samuel Fürst, Julius Meller – die im Radkersburger Stadtleben sehr gut integriert waren.
Besonders die Familie Neumann, die einen Landesproduktenhandel betrieb, hatte hohes Ansehen. Sie kämpften sogar am Ende des 1. Weltkriegs in der Heimwehr gegen die Teilung Radkersburgs. Moritz Neumann, der den Familienbetrieb übernahm, konstruierte eine mechanisch betriebene Heidenmühle. Mit dieser Maschine hatte er in Österreich ein Monopol. Antisemitische Übergriffe blieben bis 1938 weitestgehend aus, doch mit dem Einmarsch der Hitlertruppen in Österreich verschlimmerte sich die Lage. Viele steirische Juden wurden nach Dachau deportiert, manche flohen ins benachbarte Goričko Gebiet und nach Ungarn, wo sie bis 1944 relativ unbehelligt lebten. Adolf Eichmann gründete in Mauthausen das „Sonderkommando Ungarn“ und durchstreifte akribisch wochenlang Ungarn. 438.000 Juden und Jüdinnen wurden aufgegriffen und in einem brutalen Todesmarsch durch die Steiermark nach Auschwitz deportiert, unter ihnen auch die Familie Neumann.
Mehr über das Leben der Juden in Radkersburg schrieb Dr. Hermann Kurahs in seinem Buch „Verwehrte Heimat“.